Wunnenstein

 

Name: Wunne = Frühjahrsweide

 

Hausberg von Winzerhausen (Berg zu den Gemarkungen Winzerhausen und Großbottwar gehörend)

 

Höhe: 394 m ü.NN. (höchster Punkt auf der Gemarkung Großbottwar)

 

Geologische Deckschicht: Kieselsandstein

 

Rebfläche: 60 ha

 

Wahrzeichen: Aussichtsturm auf den Resten des Kirchturms der Michaelskirche erbaut

 

Besonderheit: „Heiliger Berg“, da Gipfel als Kultstätte seit der Vorzeit diente – lang andauernde Siedlungskontinuität auf dem Berg, großartiger Aussichtsberg

 

Pfiwa-Bildungsreisen Teil 2

Der Wunnenstein bei Winzerhausen gehört zu den geschichtsträchtigsten Orten des Kreises Ludwigsburg. Bereits in der Mittleren Steinzeit, also vor 8 000 bis 10 000 Jahren, wurde sein Gipfel von nacheiszeitlichen Jäger- und Sammlergruppen als Lagerplatz genutzt; dies belegen Funde typischer Steinwerkzeuge, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in der Nähe des Aussichtsturmes entdeckt wurden. Auch Funde aus der Jungsteinzeit (5600 – 2300 v. Chr.) und der Urnenfelderzeit (1200 – 800 v. Chr.) sind vom Plateau des Vorderköpfles bekannt. Funde römischer Dachziegel und Gefäßscherben, die seit dem 19. Jh. immer wieder zutage traten, zeugen von einem römischen Bauwerk auf dem Wunnenstein, bei dem es sich – wie auf dem 17 km westlich gelegenen Michaelsberg bei Cleebronn – um einen Tempel gehandelt haben dürfte. Hier wie dort tritt der Platz in nachrömischer Zeit als Standort einer frühmittelalterlichen Michaelskirche in Erscheinung, in welcher sich die kultische Tradition des Ortes im neuen Gewand einer christlichen Interpretation fortgesetzt zu haben scheint. Spätestens im13. Jahrhundert entstand die Burg der Herren von Wunnenstein, deren wichtigster Repräsentant, der „gleißende Wolf“, mit der romantischen  Lyrik Ludwig Uhlands Eingang ins geistige Allgemeingut Württembergs gefunden hat. Die genaue Gestalt seiner Burg, die zu Anfang des 15. Jahrhunderts bereits wieder verfiel, ist heute unbekannt und könnte nur durch archäologische Ausgrabungen ermittelt werden. Die markante Dreiteilung des Gipfels, die durch zwei mächtige, Nord-Süd geführte Stichgräben hervorgerufen wird, rührt sicherlich aus der Zeit der Burg, ein verschleifter Ringraben, der den Burgstall etwa auf Höhe der 385-Meter-Isohypse umläuft, könnte im Kern älter sein. Auf dem Vorder- und Mittelköpfle deuten sich in einem teilweise unruhigen, von Hohlformen und Einsenkungen geprägten Relief die ehemaligen Standorte von Türmen und unterkellerten Gebäuden an. Auf dem Vorderköpfle zeigt sich daneben deutlich die Planie der einstigen Kirche, deren Langhaus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Befehl Herzog Christophs niedergelegt wurde. Der vormalige Kirchhof diente der Gemeinde Winzerhausen noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein als Friedhof, über den der verbliebene Kirchturm mit der Glocke „Anna Susanna“ wachte, dessen bauliche Substanz im heutigen Aussichtsturm fortlebt.

 

Im Boden des Gipfelbereichs sind neben Kleinfunden aus all den oben genannten Epochen auch bauliche Reste aus römischer Zeit, die Fundamente nacheinander bestehender Kirchenbauten sowie der mittelalterlichen Burg und schließlich zahlreiche Gräber aus mehreren Jahrhunderten zu erwarten. All dies macht den Ort zu einem Archiv, aus dem noch zahlreiche Informationen zur Geschichte des Berges und seines Umlandes zu gewinnen sind, und somit zu einem ungewöhnlich hochwertigen Kulturdenkmal. Seine Erhaltung bedarf des langfristigen und verantwortungsbewussten Zusammenwirkens von Bürgerschaft, Kommune und Denkmalpflege.

 

(Text: Dr. Christian Bollacher, Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 84.2 – Regionale Archäologie)

 

 

Es steigt ein schöner Hügel,

Er steht voll Wald und Wein;

Dort weht der Lüfte Flügel

So kühlend und so rein.

Er trägt umsonst von Wonne

Den alten Namen nicht,

Es glänzt sein Haupt voll Sonne

Bis spät zum Abendlicht.

 

Und wenn ihr stehet droben

Und seht die gold’ne Flur,

Wenn es euch drängt, zu loben

Die herrliche Natur;

Wollt ihr im Lied euch laben,

Durch drei der Lande hallt’s:

Durch Franken und durch Schwaben

Und in die blaue Pfalz.

 

Wohl lauschte heil’gen Klängen

Die graue Vorzeit schon:

Eine Glocke sah man hängen,

Die gab so hellen Ton.

Sie glänzte goldig im Blauen,

Wenn sie geschwungen ward,

Von frommen Klosterfrauen

Geschenk von selt’ner Art.

 

(aus: Gustav Schwab: Die Glocke vom Wunnenstein, Gedichte. Verlag der J.G. Cotta’schen Buchhandlung,.Stuttgart 1828)

 

 

Anna Susanna, muscht schwäba ond hanga uffm Wüntermer Berg,

Muscht läuta ond schlage, muscht`s Wetter verjaga ond hüta des Feld ….

Das Versmaß des Liedes wird damit erklärt, dass die Klänge der Anna Susanna sich mit dem von Forst- und Köchersberg zurückgeworfenem Echo zu einem schönen Daktylus vereinigten, den man in diesem Lied nachzuahmen versuchte (Daktylus: in der Verslehre ein aus einem langen bzw. betonten und zwei kurzen bzw. unbetonten Teilen bestehenden Versfuß).

 

(aus Hermann Ehmer: Der gleißende Wolf von Wunnenstein, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1991)

 

Informationen zusammengestellt von Markus Pantle, 28.05.2020